Kontemplation ist ein aus der christlichen Überlieferung stammender Versenkungsweg, der in die schweigende Erfahrung Gottes führt, „in das Wesen jenseits aller Formen“ (Meister Eckhart).
Die Ablösung von allen Bildern und Gedanken, die Sammlung der Kräfte im Innern und die Öffnung für das innerste Sein werden in der Stille geübt. Durch Stillwerden wird das Bewusstsein in die mystische Erfahrung des göttlichen Urgrundes geführt.
In dieser Erfahrung sind der eigentliche Kern und das Herzstück aller Religionen zu finden.
Bei der Kontemplation handelt es sich um eine wort- und bildlose Gebetsform, die bis ins 18. Jahrhundert im christlichen Abendland bekannt war. Das Ziel dieser Gebetsform war und ist ein Zustand, in dem die letzte Wirklichkeit erlebt und erfahren werden kann. Kontemplation stellt damit einen parallelen Weg zu den östlichen Wegen des Zen, des Vipassana und des Yoga dar, basiert auf den gleichen Voraussetzungen und führt zum gleichen Ziel. Leider geriet dieser mystische Weg des Christentums im Zuge der Rationalisierung der Theologie weitgehend in Vergessenheit, erfährt jedoch seit einigen Jahren eine Wiederentdeckung.
(vgl Willigis Jäger, Die Wiederkehr der Mystik, Herder, 2004)
Die Mystikerin Madame Guyon hatte noch im 18.Jahrhundert eine Anweisung für das kontemplative Gebet geschrieben, eine Anweisung für jeden, wie sie betont: "Alle sind geeignet für das Innere Gebet. Es ist ein großes Unglück, dass fast jedermann sich in den Kopf setzt, nicht zum Inneren Gebet berufen zu sein. Wir alle sind zum Inneren Gebet berufen, so wie wir alle zum Heil berufen sind." Sie hebt hervor, dass dieses Gebet sehr leicht ist. Und sie bedauert sehr, dass es von den Priestern nicht gelehrt wird.
Auch der spanische Mystiker Johannes vom Kreuz gab in seinem Vorwort zum Aufstieg zum Berg Karmel" Anweisungen für das kontemplative Gebet:"Diese Abhandlung erklärt, wie man die göttliche Union schnell erreicht.Sie bringt Instruktionen und Unterweisungen für Anfänger."
Und in der "Wolke des Nichtwissens", jenen Anweisungen eines unbekannten englischen Mystikers aus dem 14. Jahrhundert, erfahren wir, dass Kontemplation für jeden ernsthaften Christen ein spiritueller Weg ist. Der Verfasser verteidigt diese Gebetsform in seinem Vorwort und weist im Kapitel 74 darauf hin, dass der Ruf zum kontemplativen Gebet an alle Ordensleute und Laien ergeht.
(Quelle: Willigis Jäger, Handout vom Benediktushof)
Text: Hannelore Meinlschmidt